Ist die Migräne eine psychisch bedingte Krankheit (und somit von aussen beeinflussbar) oder ein genetisches Schicksal?

C. Meyer / Februar 2013

Eine genetische Disposition der Migräne wurde schon seit längerer Zeit vermutet, vor allem auch aufgrund des bekannten Phänomens, dass sich in vielen Familien die Krankheit wie ein roter Faden durch Generationen hinzieht. Es ist gesichert, dass genetische Veränderungen verantwortlich sind für eine Stoffwechselstörung bestimmter Hirnzellen (Calciumüberladung, Ionenkanalerkrankung) und, dass der spezifische Schmerzmechanismus dadurch aktiviert wird.

Welche Rolle spielt hier die Psyche als möglicher kausaler Faktor? Es gibt dafür keine Beweise. Einflüsse von Seite der Psyche können im Einzelfall sehr wohl eine Rolle spielen (sowohl Freud als auch Leid), müssen aber nicht. Begleiterkrankungen wie Depressionen und Ängste sind hinlänglich bekannt, sie sind aber nicht die Ursache. In der täglichen Praxis sieht man regelmässig Leute, denen es psychisch sehr schlecht geht und die trotzdem nicht an vermehrtem oder intensiverem Kopfweh leiden; andererseits fühlen sie sich wieder sehr gut und verstehen nicht, warum sie trotzdem Migräne haben.

Dass eine „normale“ Migräne mit wenigen Attacken pro Monat nach vielen Jahren in einen chronischen täglichen Kopfschmerz mit beeinträchtigter Lebensqualität übergehen kann, ist eine leidige Tatsache, z.T. medizinisch induziert, aber nicht zwingend die bisher niemand hinreichend erklären konnte. Eine psychische Ursache konnte auch hier nie nachgewiesen werden, andauernde Schmerzen können aber mit der Zeit zu psychischen Veränderungen führen. Ob es eine „Migränepersönlichkeit“ gibt, wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert; von der ärztlichen Erfahrung her spricht wohl einiges dafür, obwohl wissenschaftliche Belege bisher nicht erbracht werden konnten.