Persönlichkeit

Bin ich eine "Migräne-Persönlichkeit"? Woran merke ich das?


Wenn etwa ein Fünftel der Bevölkerung an Migräne leidet, dann kennt jeder jemanden aus dieser Gruppe. Und als gestandene/-r Migräniker/-in lebt man nicht unerkannt. Der Neurologe Thomas Willis (1621-1675) hat schon vor gut 300 Jahren in England festgestellt, dass Nüchterne und Säufer, Dünne und Vielfrasse, also alle Menschentypen, gelegentlich unter Kopfweh leiden. Aber immer neu ist man versucht, einen „Migräne-Typus“ zu definieren.

Was hören wir heutzutage, was die Migräniker ausmachen soll? Zum Beispiel:

Sie seien sehr leistungsorientiert, perfektionistisch, könnten fünf nie gerade sein lassen, seien immer für andere da, könnten nicht nein sagen. Das sind doch genau die Eigenschaften, die von einem guten Angestellten tagtäglich verlangt werden! Und wir alle kennen Dutzende von Menschen, die genau so sind, praktisch nie Kopfweh haben und nicht wissen, was Migräne ist. Diese Menschen haben vielleicht Magenprobleme oder Hautgeschichten oder sonst etwas Schmerzliches.



Was sind meine Schwächen und Stärken als Migräniker?


Beispiele erlebter Schwächen:

  • Die chronifizierte Migräne mit mehr als drei Attacken pro Monat kann bedrohlich werden. Man mag sich kaum mehr im Voraus verabreden „... weil ich ja nicht wissen kann, ob gerade dann eine Migräne kommt.“

  • Die unterschiedlichen Auslöser oder „Trigger“ zwingen einen, ständig aufzupassen und alles Mögliche zu vermeiden. Das macht den Alltag auch ohne Attacke sehr ungemütlich.

  • Die Schmerzattacken und das ständige Vermeiden ruinieren den eigenen Ruf. Man gilt mit der Zeit als unberechenbar, unzuverlässig, unfreundlich. Das macht natürlich alles noch schlimmer.



Beispiele erlebter Stärken:

  • Migräniker haben, recht oft in Verbindung mit einer belasteten Kindheit, eine überdurchschnittliche Wahrnehmung, und zwar über alle fünf Sinne, je nach Typ. Wir kennen Migräniker, die in eine geschäftliche Sitzung kommen und innert 10 Sekunden, ohne ein Wort, wissen, wie die Stimmung ist.

  • Migräniker haben ein ausgezeichnetes Gefühl für das Aussergewöhnliche, das Nicht-Alltägliche. Sie sind ohne weiteres vertraut mit Dingen oder Menschen, die Nicht-Migräniker oft verständnislos lassen.

  • Migräniker haben einen untrüglichen Hang zur Qualität in allem. Das gilt auch für Beziehungen. Ihren Verbündeten sind sie die treuesten Partner, die man sich denken kann.



Bin ich als Migräniker wirklich weniger leistungsfähig?

Ja, Sie sind weniger leistungsfähig, damit gemeint ist über längere Zeitabschnitte eine gleich bleibende Leistung zu erbringen: z. B. mehr als sechs bis acht Stunden hintereinander oder mit einer unveränderten Regelmässigkeit wie beispielsweise immer von Montag bis Freitag. Wenn aber die Migräne nicht häufig auftritt oder wenn man jung und fit ist, ist ein leistungsorientiertes Leben in diesem Sinn durchaus möglich. Von aussen wirkt man dann „normal“, wie ein Nicht-Migräniker.

Nein, Sie sind nicht weniger leistungsfähig, wenn damit gemeint ist eine hohe, auch hervorragende Leistung zu erbringen. Migräneleidende sind sogar ausgesprochen leistungsfähig: dann nämlich, wenn sie ihre Arbeit möglichst selbstständig, möglichst im eigenen Rhythmus erledigen können. Und genau das ist im Allgemeinen an den meisten Arbeitsplätzen nur schwer zu verwirklichen.

Professor Jean Schoenen, Neurologe aus Liège (Belgienè) hat die Migräniker einmal mit Formel 1-Wagen verglichen: grosser Motor, kleiner Tank. Regelmässige Boxenstopps sind daher zwingend, sonst bleibt man mitten auf der Strecke stehen.

Was können Sie tun? Informieren Sie Ihren Chef oder Ihre Chefin, sprechen Sie mit Ihrem Team. Organisieren Sie Ihre Arbeit so, dass Sie Ihre kürzeren Leistungszeiten optimal nutzen und genügend Pausen haben. Achtung: das gilt auch für Selbständige, die ihr eigener Chef sind. Planen Sie Ihren Alltag in kürzeren Einheiten
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